top of page
  • Instagram

Babygirl (#10)

  • Autorenbild: P
    P
  • 30. Sept.
  • 5 Min. Lesezeit

Letzte Woche war ich genervt. Eigentlich war ich nicht bloss genervt; ich war richtig wütend. Meine Wut wurde zusätzlich von der Tatsache befeuert, dass ich mir lächerlich vorkam. Eigentlich will ich doch jetzt draussen sein und mein Leben geniessen. Eigentlich will ich eine coole, unkomplizierte und sorgenfreie Person sein, die sich von nichts und niemandem aus der Fassung bringen lässt. Es gibt aber wirklich nichts uncooleres, als am Freitagabend wie ein Kleinkind täubelnd alleine auf dem Bett zu sitzen und sich zu überlegen, den Frust einfach wegzuschlafen. Zurück an den Anfang.


Letzte Woche habe ich einen Freund getroffen (hier reicht es heute nicht einmal für einen Alias, da er diesen Blog liest und er sich wohl ohnehin unweigerlich erkennen dürfte. Dazu möchte ich gerne ausgeführt haben, dass es hier um mich und meine Gefühle geht und ich keineswegs das Verhalten von ihm kritisieren möchte. Zur Vereinfachung nennen wir meinen Freund heute einfach Babygirl). Ich werde unsere Geschichte sehr summarisch zusammenfassen. Starten wir mit Kapitel 1, Friendzone: Babygirl und ich haben uns zu Beginn des Jahres kennengelernt und waren zunächst auf ein paar Dates, bevor ich ihm dann mitteilte, dass er mir sehr viel als Person bedeute, ich ihn ins Herz geschlossen hätte und fortan lieber eine platonische Freundschaft mit ihm pflegen würde. Babygirl war einverstanden. Rückblickend glaube ich, dass ich emotional einige Dinge noch nicht so ganz aufgearbeitet hatte und deshalb Angst hatte, Babygirl (eine sehr tolle und von mir wahnsinnig geschätzte Person) durch einen (unbedeutenden?) Fling zu verlieren. Wir waren nun also Freunde. Kapitel 2, Unfriendzone: Jaha, ich weiss. Der Titel nimmt es vorweg. Und ihr habt mich auch alle zu genüge gefragt, was eigentlich falsch mit mir läuft. Ich habe also bei einem gemeinsamen Abendessen im Sommer entschieden, dass ich mich nun zu Babygirl hingezogen fühle. Nachdem ich mehrmals darüber geschlafen hatte – ich wollte mir das gut überelgen aus der Angst, dass es unsere Freundschaft kaputt machen könnte – redete ich mir ein, dass er im schlimmsten Fall meine Anziehung zu ihm wohl einfach als Kompliment versteht und wir darüber lachen können. Also verkündete ich Babygirl nach einem weiteren Abendessen die frohe Botschaft: Babygirl, ich fühle mich zu dir hingezogen. Kapitel 3, Friendzone die Zweite: Babygirl war überrascht und wirkte auf mich leicht überfordert. Eine solche Wendung hatte er wohl (verständlicherweise) nicht kommen sehen. Wir führten bei einem Spaziergang ein wirres Gespräch darüber, was meine Verkündung nun für unsere Freundschaft bedeuten würde. Das Resultat: Babygirl hat gerade keine Kapazität, um sich emotional auf etwas einzulassen. "Jetzt sind wir immerhin quitt und können wirklich einfach Freunde sein" scherzte ich. Babygirl lachte. Babygirl ist jetzt wieder mein (platonischer) Freund.


Nach zwei Wochen Ferienabwesenheit und Funkstille war ich mir sicher, dass nun alles wieder beim Alten sein würde. Da ich das Gefühl hatte, Babygirl ganz schön überfallen zu haben, liess ich ihn zwei Wochen in Ruhe. Nach meiner Rückkehr fragte ich ihn, ob wir uns treffen wollen. Wir verabredeten uns für Freitagabend. Nach eineinhalb Stunden baden schlug Babygirl einen Spaziergang vor, bei welchem wir uns gegenseitig mit Smalltalk aus unseren Leben versorgten. Der Spaziergang endete vor seinem Fahrrad, wo mir Babygirl mitteilte, dass er nun nach Hause gehe. "Und was hast du heute noch so vor?". Das heisst dann wohl nichts mit dir, dachte ich mir. Mit "Bis irgendwann mal" verabschiedete sich Babygirl und liess sich von seinem Drahtesel davontragen. Ich fuhr nach Hause, wo ich mich mit verschränkten Armen auf mein Bett warf. Hunderte Gedanken fluteten mein Gehirn. Von wegen "alles wieder beim Alten". Habe ich unsere Freundschaft kaputt gemacht, indem ich ihm mitgeteilt habe, dass ich ihn anziehend finde? Weder habe ich ihm irgendwelche Gefühle gestanden, noch habe ich ihm gesagt, dass ich in einer romantischen Beziehung mit ihm sein will. Warum fühlte sich etwas, was sich zunächst noch erleichternd und ehrlich angefühlt hatte, nun plötzlich dumm und falsch an? Die Tatsache, dass ich den zweitletzten Sommerabend wider Erwarten planlos verbringen werde, fühlte sich wie eine Bestrafung an. Ich hätte meine Gedanken einfach runterschlucken und nichts sagen sollen. Ich schaue mich im Spiegel an. Warum kannst du nicht einfach deine Klappe halten?


Wärend die Gedanken in meinem Kopf so ihre Kreise drehten und ich meine Aussagen und Handlungen wieder und wieder durchging, stellte ich mir die Frage, woher das Wirrwarr in meinem Kopf so plötzlich kommt. Babygirl hatte mir nicht mitgeteilt, etwas falsch gemacht zu haben. Meine Verunsicherung rührte einzig und alleine aus meiner Wahrnehmung unseres Treffens her. Die Gedankenspirale entstand aus dem Nichts. Das Nichts, welches zwischen Babygirl und mir steht, weil wir vor lauter Bade(spass) nicht über die ganze Situation gesprochen haben. Das Nichts, welches wir beide existieren lassen. Die fehlende Kommunikation zwischen uns hatte dazu geführt, dass ich zwanghaft versuchte, Babygirls Gedanken zu lesen und mein eigenes Verhalten zu hinterfragen (klassidches Overthinking ebe ). Vielleicht ist zwischen Babygirl und mir ja auch einfach alles in Ordnung und ich interpretiere zu viel in das Nichts. Wenn da dieses Nichts, das Raum für Spekulationen lässt, nicht wäre. Wenn wir einfach gesprochen hätten. Dann müsste ich nicht versuchen, das Verhalten anderer Menschen zu analysieren und zu interpretieren. Dann müsste ich nicht nach Antworten suchen, die ich bei mir ohnehin nicht finden werde. Was ich nicht beeinflussen kann, soll umgekehrt nicht meine Stimmung beeinflussen. Oder in den Worten von Ektitek: Der Weg zum Glück besteht darin, sich um nichts zu sorgen, was sich unserem Einfluss entzieht.


Die ersten fünf Minuten auf meinem Weg zum Glück verbrachte ich über rein hypothetische Möglichkeiten grübelnd. Ich verbrachte sie wütend. Und dann entschied ich mich dazu, es einfach nicht mehr zu sein. Ich ging duschen, liess Musik laufen und zog mich an. Dann ging ich mit Damian*, den ich von Hinge kannte und zuvor noch nie getroffen hatte, und seinen Freunden auf einen Rave. Ich hätte die Nacht noch weiter grübelnd verbringen können und mir eine ganze Fantasiewelt mit möglichen Szenarien malen können. Stattdessen fuhr ich um vier Uhr morgens mit Damian* auf der Vespa durch die Stadt. Damian* sass hinter mir, hielt seine Arme in die Luft und schrie in die dunkle Sommernacht hinein. Damian* und ich wurden in dieser Nacht Freunde (und das bleibt auch so). Statt mich über Dinge zu ärgern, die ich nicht kontrollieren kann, habe ich neue Erinnerungen geschaffen. Als ich mich früh morgens in mein Bett legte, verspürte ich Selbstliebe. Sich nicht von Selbstzweifeln in den Wahnsinn treiben zu lassen und – bis man eines Besseren belehrt wird – einfach darauf zu vertrauen, dass alles in Ordnung ist, ist nicht einfach. Wenn man es dann aber schafft, die Kontrolle über Unkontrollierbares abzugeben und bei sich selbst zu bleiben, dann findet man ja vielleicht auch irgendwann das Glück. Der Weg dahin fühlt sich zumindest etwas leichter an.


P


ree

 
 
 

Kommentare


 NEWSLETTER ABONNIEREN

  • Instagram

© 2025 pearltheearl

bottom of page