
The Earl und der Catfish (#6)
- P

- 6. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Aug.
Man sagt, die Liebe findet uns, wenn wir es am wenigsten erwarten. Mich fand sie an einem verregneten Dienstagabend im März auf Tinder. Spass. Tatsächlich fand mich Omar*. Sein Profil: Gross, charmant, sportlich, gutaussehend; als wäre er gerade einem Lifestyle-Magazin entsprungen. Rückblickend etwas zu gut um wahr zu sein. Aber wer bin ich, um misstrauisch zu sein? Liebe macht schliesslich blind – in meinem Fall offenbar auch für die Profilbilder von Omar* (welche offensichtlich AI-generiert waren, danke Tristan* für den Hinweis).
Omar* und ich verarbreden uns um 19.30 Uhr in einer „guten Cocktailbar“ (so seine Worte). Eigentlich wollte ich ihn ja erst etwas später treffen, aber Omar* weist mich darauf hin, dass er viel Wert auf seinen Schlafrythmus lege und deshalb früh Schlafen gehen wolle. Pünktlich (und wer mich kennt weiss, dass das bei mir sehr viel heisst) stand ich an der von Omar* kommunizierten Adresse – ein Hotel in dem Stadtteil, in welchem auch Aldi Guy zu Hause ist. Was dann kam, war weniger “Liebe auf den ersten Blick” und mehr “Wer ist diese Person und warum winkt sie mir so vertraut zu?” Denn Omar* ist mindestens einen Kopf kleiner als ich (jedes mal wenn ich diese Geschichte erzähle schrumpft er nochmals um gute zehn Zentimeter) und sieht in dem Typen auf seinem Tinder-Profil nicht im entferntesten ähnlich. Omar* ist mein erster Catfish. Endtprechend stehe ich regungslos vor diesem Hotel, während mein Kopf auf Durchzug macht. „Ich gehe hier immer in die Raucherlounge. Die haben echt gute Drinks hier“ so Omar*. „Du träumst wohl“ hätte ich sagen sollen. Oder: „Du hast meine Zeit verschwendet“. Stattdessen folge ich Omar* wortlos in die Raucherlounge.
Warum ich nicht sofort wieder nach Hause gegangen bin und mich in meine Trainerhose geschmissen habe? Erstens war ich mit dem Fang meines ersten Catfish überfordert. Zweitens dachte ich mir, dass ich jetzt ja beteits dort bin uns vielleicht immerhin ein nettes Gespräch dabei rausspringen würde. HA-HA.
Omar* setzt sich auf die Couch in der Lounge, spreizt seine Beine und legt die Arme breit auf der Rückenlehne der Couch aus. Es riecht abgestanden und ausser uns hat sich niemand in diese „gute Cocktailbar“ getraut. Ich setzte mich von ihm abgewendet einen Meter entfernt auf das andere Ende der Couch. Ich bestelle eine Cola und starre ins Leere. „Was machst du so im Leben?“ fragt er mich. „Bin Juristin“ entgegne ich. „Ah okay. Ich bin frühpensioniert“ so Omar*. Okay, entweder der hat mit Kryptowährung so richtig viel Geld gemacht oder ist einfach arbeitslos, denke ich mir. „Übrigens habe ich ADHS“ sagt Omar* und meidet komplett den Augenkontakt, was mir ohnehin recht ist. „Du sieht viel älter aus als 32“ stelle ich fest. „Achso ja, das Alter in meinem Profil stimmt nicht so ganz. Ich bin 39“, sagt er. Ich schweige, ignoriere seine nächste Frage und überlege meinen nächsten Schritt. Ich schweige Omar* zwei Minuten lang an, bis er sich dazu entscheidet, das Thema zu wechseln und mir von seinen „Beziehungspersonen“ und seinem Leben mit der Polyamorie zu erzählen. Das Gespräch könnte also noch interessant werden. Nachdem ich ihn frage, ob das nicht sehr zeitintensiv und fordernd ist, hält mir Omar* einen Vortrag, was für eine enge und altmodische Sicht der Dinge ich doch hätte. Omar* legt mir seine Hand auf den Oberschenkel. Dann reicht es mir aber auch. „Zeit zu gehen“ sage ich und stehe auf.
Und was macht Omar*? Zeit für ein kleines Ratespiel. Omars Optionen sind wie folgt: A) Sich für das Lügen auf seinem Datingprofil entschuldigen, mir für das nette Gespräch danken und Tschüss sagen; B) Tschüss sagen; C) Still sitzen bleiben oder D) Aufstehen und mich fragen, ob wir zu mir oder ihm gehen. Omar* entscheidet sich für Option D und hängt dem noch ein „das mit meinem Schlafrythmus war übrigens ein Witz“ grpaart mit einem Zwinkern an. „Ganz sicher nicht“ schnauze ich ihn an und verlasse die Raucherlounge nach ganzen 30 Minuten gegenseitigem Anschweigen, unangenehmen Gesprächsthemen und Vorwürfen.
Auf dem Weg nach Hause geht mir vor Lachen die Luft aus. Meine Mitbewohnerinnen Lotte* und Jade* stehen zunächst zwei Minuten da, als ich mir lachend den Bauch halte. Was ich von meiner ersten Erfahrung mit einem Catfish gelernt habe: Run. Wer lügt und sich online als andere Person ausgibt, han keine Aufmerksamkeit und Zeit verdient. Egal, was ihn oder sie dazu getrieben hat. Dafür danke ich Omar* für die lustige Story, die diesen Blogbeitrag ermöglicht hat. :))
X, P







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